Die „Zeitenwende“ oder reden wir doch eher von einer „Wende von Gezeiten“?
Oliver Deutscher, Vizepräsident AEFMA Deutschland e.V. auf dem Herbstsymposium 2022
Was bzw. welche Themenfelder, hatte ich mich gefragt, sollte ich für einen Impulsvortrag aufgreifen. Es passen doch so viele Themen auf das, für unser heutiges #AEFMA Herbstsymposium ausgewählte Hauptthema der „Zeitenwende“.
Ob es nun die geopolitische Veränderungen durch den erst jüngst in Europa entflammten Kriegskonflikt – der uns alle ungläubig im Februar 2022 traf – oder aber die noch nachklingenden wirtschaftlichen und ebenso auch psychologischen Folgen aus der Corona-Krise. Dazu zählen ebenso meiner Meinung nach auch die zuletzt massiven Anstiege der Inflationszahlen und die Antworten der Notenbanken, zumindest jüngst, in Form von nicht da gewesenen geldpolitischen Entscheidungen und den folgenden Zinserhöhungen. All dies hat uns alle ziemlich auf Trapp gehalten, und könnte man alle ebenso als Zeitenwende, zumindest im Hinblick auf Inflation und Zinsen in Europa, bezeichnen.
All dies liefert schon genügend Stoff für Gedanken zu einem Impulsvortrag. Dennoch habe ich mir die Frage gestellt, reden wir wirklich von einer Zeitenwende oder ist es doch mehrheitlich eine „Wende von Gezeiten“, also ein sich eher wiederholendes, immer wiederkehrendes Muster der Natur, die in wiederkehrenden Wellen durchlebt und erlebt werden, sowie auch schon historisch über Generationen hinweg, durchlebt worden sind?
Einer, der mir dazu einfallende Unterschied zwischen Gezeiten und Zeitenwende wäre, dass man, wie in der Seefahrt zwingend notwendig, die Gezeiten ziemlich exakt vorhersagen können sollte, um damit zeitlich und geographisch seine Seenavigation, ohne Schiffbruch zu erleiden, ausrichten kann.
Eine Zeitenwende im engeren Sinne stellt daher für mich eher doch eine Art exogenen Schock dar, ein einmaliges, nicht erwartetes Ereignis. Aber war der Einmarsch in der Ukraine tatsächlich so überraschend? Hatten sich doch deren Anzeichen schon lange angedeutet, zumindest für diejenigen, die nach der Annexion der Krim 2014 ihre Zweifel hatten und sich mit Geschichte und Geopolitik beschäftigen. Andauernde, historisch wiederkehrende Konfliktfelder der wirtschafts- und weltanschaulichen Systeme in Ost und West sowie ebenso mit der Weltmacht China, zählen ebenso dazu.
All diese Themenfelder sind schon an sich ständig wiederkehrende, wesentliche Konflikt-, aber ebenso auch große Potentialfelder, nur in unregelmäßigeren Abständen, im Gegensatz zu den sehr gut planbaren, wiederkehrenden Ereignissen wie z.B. der Bildung und Ausbildung, dem Fördern und Fordern von jungen Heranwachsenden, Auszubildenden, Schülern und Studenten. Also ähnlich den Gezeiten, doch eher vorherseh- und planbare und immer wiederkehrende Ereignisse für jede Generation gleich aktuell.
Eine Zeitenwende ist für mich daher eher ein Teil bzw. zeitlich sich abgrenzender Abschnitt innerhalb dem Spektrum der Gezeiten.
Ich möchte mich daher aber heute auf den Teil des „Nachwuchs & Generationswechsel“ im Rhythmus der Gezeiten fokussieren. Ein besonderes Anliegen, welches wir uns auch im #AEFMA Vorstand als „Fokusfeld“ für unsere unmittelbare Vorstandsarbeit vorgenommen haben ist daher: Der Nachwuchs & Generationswechsel, und damit aus unserer Sicht, die elementaren Grundbausteine bspw. einer jeden Unternehmung, eines jeden gut funktionierenden Teams, von erfolgreichen Mannschaften sowie damit einer der elementarsten, sozialen Grundbausteine für die Entwicklungen von Vereinen und ebenso von gut funktionierenden Gesellschaften insgesamt.
Gerade für Vereine wie unseren, die sehr stark und ausschließlich vom ehrenamtlichen Engagement, der Motivation und dem gemeinsamen Miteinander seiner Mitglieder leben, sind diese Gezeiten-/ Generationswechsel ein existenzieller Bestandteil für eine erfolgreiche Zukunft bzw. eine Zukunft überhaupt. Damit bilden diese Grundbausteine die Basis einer fruchtbaren, immer wiederkehrenden Zusammenarbeit, so dass sich auch der Verein weiterentwickeln und damit zukünftig seine Daseinsberechtigung erhalten kann.
Die Fragen, die mich daher umtreibt ist: „Wo seid Ihr denn alle Junge/ Young Professionals“ ? Wo ist der interessierte Nachwuchs ? Wie erreichen wir Euch ? Welche Instrumente benötigen wir und was für Angebote müssen gemacht werden, um dem Generationswechsel einen neuen Impuls geben zu können ?
Und ja es gibt sie, die engagierten, motivierten und einsatzfreudigen jungen Menschen. Und zwar nicht nur in ihrem Einsatz zum Schutz des Klimas, im Einsatz zur Sorge für mehr Aufmerksamkeit in der Bevölkerung, nein, es gibt sie auch in Firmen, Vereinen und in Schulen. Das einzige Problem dabei ist jedoch: es gibt gefühlt zu wenige davon ?
Grundsätzlich tickt doch jede nachfolgende Generation anders als die vorangegangene. Darauf müssen wir uns, als ältere Generation (in den Wellen der historischen Gezeiten) auch erst einstellen und in diese Generation besser zu- bzw. reinhören. Einfach ablehnen oder nicht ernst nehmen, würgt die Motivation der „Nachfolgenden“ an der Wurzel ab.
Will man die „Nachfolgenden“ dauerhaft mitnehmen, müssen wir ihnen Sinn stiftende Arbeiten erklären und in ihre Verantwortung übergeben werden. Stupides Abarbeiten von Aufgaben führt unweigerlich zur stillen Kündigung.
Die schrittweise Übernahme von Verantwortung (durch die „Nachfolgenden“) sollte daher noch klarer kommuniziert und abgestimmt werden. Eine „Zusammenarbeit“ der Generationen im Sinne „par ordre de Mufti“, und ich kann eh alles besser, weil ich das schon seit 30 Jahren genau so und nicht anderes gemacht habe und mache, funktioniert so nicht für eine erfolgreiche Nachwuchs- sowie Zusammenarbeit.
Offen sein und bleiben der „Vorangegangenen“, Mut haben neues auszuprobieren, Fehler machen, gehört bei allen Generationen dazu. Werden diese eingestanden und mit einer wertschätzenden Kommunikation begleitet, können alle Generationen daraus lernen und sich in der Weiterentwicklung unterstützen.
Erfolge angemessen mit den „Nachfolgenden“ teilen, finanziell und in der Innen- wie Außendarstellung gegenüber bspw. den „Kunden“ bzw. Mitgliedern des Vereins, sollten daher selbstverständlich für uns sein.
Werden diese Punkte gelebt, spricht sich das rum und die Nachfolgenden werden bereit sein ihr Wissen und ihre Motivation für die Unternehmung, unseren Verein, oder die Gesellschaft für alle gemeinsam und gewinnbringend einzubringen.
Man bedenke, dieser Prozess braucht Zeit, wird aber, wie jeder gute und gepflegte Wein im Laufe der Jahre immer besser. Die Zeit drängt aber. Und nicht nur gefühlt, denn im Jahr 2035 werden voraussichtlich weniger unter 20-Jährige als 65-Jährige erwerbstätig sein. Der Wettbewerb um die jungen Talente ist auf allen Ebenen bereits im vollen Gange. Denn neue Ideen des Nachwuchses mit Erfahrung von Älteren kombiniert sind zu finden auf den Zutatenlisten von Erfolgsstories. Jede junge Generation bietet großes Potential und wir können es uns schlicht und einfach nicht leisten, ohne diese jungen Menschen die Zukunft zu gestalten und Themen anzugehen.
Die wichtigsten Werte der jungen Generation sind: Gesundheit, Freiheit, Individualität, Freundschaft, Familie, Gerechtigkeit sowie Diversität und Multikulturalität. Die Handlungen jeder jungen Generation werden stets vor dem Hintergrund ihres eigenen Wertegerüsts erfolgen. Dies lässt mich aber positiv in die Zukunft blicken und mit Blick auf die Arbeitswelt benötigen wir dringend den Nachwuchs: Das hohe Maß an Energie, kombiniert mit der Leichtigkeit ungehemmt und ebenso mit Risikobereitschaft neue Dinge anzugehen sowie die Fähigkeit sich selbst Dinge beizubringen (bspw. Tutorials) oder einfach einmal auszuprobieren ist unverzichtbar. Die neue Generation kann sich ein Leben ohne Smartphone nicht vorstellen und versteht sich als Digital Natives, daher wirken andere Bedürfnisse, aber auch Ideen in der Gestaltung von Prozessen und Produkten, die noch weiter einbinden müssen.
Wir freuen uns infolgedessen, als neu gewählter Vorstand der #AEFMADeutschland e.V., eben diese anstehenden Herausforderungen des GeZeiten- bzw. Generationswechsel, gemeinsam mit Euch, unseren Mitgliedern, als einer der Fokusthemen im Jahr 2023 angehen zu können.